Vor 55 Jahren: Marsch nach Bern
Am 1. März 1969 trafen sich 600 Delegierte zu einem Kongress der Arbeitsgemeinschaft der schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau im Kursaal in Bern. Am selben Nachmittag fand der „Marsch nach Bern" statt. Rund 5000 Frauen und Männer versammelten sich auf dem Bundesplatz. Emilie Lieberherr, die spätere Zürcher Stadträtin und Ständerätin war die kämpferische Hauptrednerin der Kundgebung.
Hintergrund dieser Aktionen war, dass 1968 der Bundesrat plante, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit Vorbehalt zu unterzeichnen. Die Menschenrechtskonvention verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Religion und der Rasse. Das fehlende Frauenstimmrecht widersprach der Konvention. Die geplante Unterzeichnung wurde für die Frauenbewegung die Gelegenheit einer „organisierten Verweigerung“. Mit Slogans wie „Keine Menschenrechtskonvention ohne Menschenrechte“ und „Frauenrechte sind auch Menschenrechte“ bestanden die Frauen darauf, die schwerwiegenden Vorbehalte vor der Unterzeichnung zu beseitigen. Die Frauen blieben hart und gingen auch nicht auf den Vorschlag ein, die EMRK zu unterzeichnen und erst nach der Frauenstimmrechtsabstimmung zu ratifizieren. Marthe Gosteli schrieb im Mai 1969 in einem Brief an den Nationalrat: „Bringen wir unser Haus zuerst in Ordnung und unterzeichnen wir später“
Das Parlament verzichtete schlussendlich auf die Unterzeichnung der EMRK mit Vorbehalten. Der Bundesrat musste daraufhin eine neue Vorlage für eine Abstimmung über das Frauenstimmrecht vorlegen, die 1971 schliesslich angenommen wurde.